Pressemitteilung

I love you [rev.eng]
Die Ästhetik der Computerviren. Deutsche Ausstellung auf internationaler Tournee

Providence (USA) / Kopenhagen: „Made in Germany“ meldet sich zurück – „I love you [rev.eng]“ (rev.eng = reverse engineering), die topaktuelle Fortsetzung der Frankfurter Erfolgsausstellung rund um Computerviren, geht auf internationale Tournee. Zu sehen ist
sie vom 11. September bis zum 4. Oktober an der renommierten privaten University Brown
in Providence in Rhode Island (USA) und vom 7.Oktober bis zum 14. November 2004 im Kommunikationsmuseum Kopenhagen (Dänemark).

Computerviren sind heute ein Bestandteil unseres computergeprägten Alltags. Die von den mittlerweile ca. 90.000 Viren weltweit hervorgerufenen volkswirtschaftlichen Schäden haben Kosten in Milliardenhöhe verursacht. Im Falle von „I love you“ im Jahre 2001 beziffert das unabhängige US-Forschungsinstitut „Computer Economics“ den Schaden auf 8,75 Mrd. US-Dollar. Doch nicht alle Computerviren sind Schädlinge. Sie können auch das Ergebnis eines experimentellen Umgangs mit (Programmier-)Sprache sein. „I love you [rev.eng]”, weltweit die erste Ausstellung, die den Phänomenen der Internetsicherheit und des Computervirus gewidmet ist, greift beide Aspekte auf, um vor diesem Hintergrund ein provokantes Experiment mit zeitgenössischer Kultur durchzuführen, das weit über die bereits vehement stattfindenden Debatten über das Phänomen des Hackings hinausgeht.

In politische, technologische und historische Bereiche unterteilt, präsentiert „I love you [rev.eng]” die divergenten Positionen von Sicherheitsexperten und Hackern, Netzkünstlern und Programmierern sowie Literaturexperten und so genannten Code Poets. Was sind Computerviren eigentlich? Wer programmiert sie und warum? Welche Realität verbirgt sich hinter diesem Phänomen? Die Ausstellung vermittelt Hintergrundinformationen und präsentiert künstlerische Arbeiten. Somit schlägt sie einen Bogen von Computerviren als Verursacher ökonomischer Schäden zur Inspiration künstlerischen Schaffens. Konzipiert und umgesetzt ist „I love you [rev.eng]“ vom Kulturbüro digitalcraft.org aus Frankfurt am Main.

„digitalcraft.org versteht sich als zukunftsweisendes Modell für ein verändertes Verständnis von Kulturvermittlung“, so Franziska Nori, Leiterin von digitalcraft.org. „Die übergeordnete Frage, was digitale Kultur heute ist und im Zeitalter der Wissensgesellschaft sein wird, bestimmt nicht nur die zeitgenössische künstlerische und kulturelle Produktion; sie sollte auch die Praxis der Kulturinstitutionen zur Selbstreflexion über die eigenen Aufgaben bewegen.“

Was erwartet die Besucher auf der Ausstellung „I love you [rev.eng]“?

- Computerviren hautnah – An isolierten Terminals („in the zoo“) können die Besucher mit Viren wie „Sasser“ oder „Suicide“ infizierte Dateien aktivieren und die Rechner zum Absturz bringen. Hintergrundinformationen zur Entwicklung des Phänomens bis zum heutigen Tag bietet die Darstellung der 30-jährigen Geschichte der Computerviren und ihrer technischen Entwicklung.

- Virenausbrüche in Echtzeit – Eigens für die Ausstellung wurde eine interaktive 3D-Welt entwickelt, die dem Besucher durch Joystickbedienung spielerisch ermöglicht, normalerweise unsichtbare Prozesse eines globalen Virenausbruchs in Echtzeit mitzuerleben. Darüber hinaus können die Besucher an einem Computer mit verschiedenen Virenbaukästen, wie sie auch von angehenden Hackern häufig benutzt werden, um das Internet mit immer neuen Viren zu überschwemmen, ihre „eigenen“ Viren zusammenklicken.

- Die Netzkünstler 0100101110101101.ORG und epidemiC – Sie stellen den Computervirus „biennale.py“ vor, der über seine Eigenschaft als selbstreproduzierendes Programm hinaus zum sozialen Kunstwerk erklärt wurde. Die Arbeit „The Lovers“ der britischen Künstlerin Sneha Solankis schafft mit Hilfe zweier sich gegenseitig infizierender Rechner eine Analogie zwischen der gestörten Kommunikation der Computer und der eines Liebespaares. Bei '“I love you” […but do you know what love really means?]' von Caleb Waldorf handelt es sich um eine Video Installation, die sich mit der Darstellung von Computerviren in den Medien befasst und gleichzeitig analysiert, wie Staat und Wirtschaft auf die wachsenden Bedrohung durch Cyberterror reagieren.

- Einblicke in die heterogene Hackerkultur – Präsentiert wird eine breite Auswahl an Filmmaterial, das in der Szene entstanden ist, so z.B. „Freedom Downtime“ der New Yorker Hacker-Community 2600 und „Hippies from Hell“. Von den Ursprüngen in den späten 50er Jahren, als der Begriff „Hacker“ wertfrei Studenten bezeichnete, die ihre Faszination für logische Aufgaben und die Begeisterung für das Verstehen der ersten Computer am Massachusetts Institute for Technology (MIT) auslebten, über die Kriminalisierung der heutigen so genannten VX-Szene bis hin zur Kommerzialisierung des Phänomens werden historische und aktuelle Hintergründe beleuchtet. Ergänzt wird dieser Einblick durch eine Fülle von Interviews, in denen verschiedene Virenautoren nach ihren Motiven befragt werden.

- Die Ästhetik des Quellcodes – Abgesehen von seiner reinen Funktionalität lässt sich auch bei einem Programmcode – er liegt Computerviren ebenso zugrunde wie jedem anderen Computerprogramm – ein künstlerisch-ästhetischer Anspruch feststellen. „Obfuscated C Codes“ sind Beispiele eines solchen hochgradig virtuosen Programmierens. Aus dem seit 1984 stattfindenden „International Obfuscated C Code Contest“ präsentiert die Ausstellung zwei herausragende Beiträge: den dreidimensionalen Flugsimulator von C. Banks (1998) und den Saitou.c Code von Don Yang (2000), ein Programm mit einem graphischen Layout, das eine Serie von ebensolchen wiederum reproduzierenden Programmen generiert.

- Programmcode als Sprache – Hier werden Vergleiche zwischen traditioneller Poesie und zeitgenössischer Code Poetry gezogen. Die von den antiken und mittelalterlichen Carmina Figurata über die konkrete Poesie des 19. Jahrhundert bis hin zu modernen Dichtern und zeitgenössischen Code Poets verlaufende Linie weist eine Stringenz auf, die den Quelltext als neues Material zeitgenössischer Dichtung erscheinen lässt.

- Internet Security – Sicherheitskonzepte und aktuelle Methoden zur Vorbeugung global stattfindender Netzattacken werden vorgestellt.

Der Brisanz des Themas in seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Dimension trägt die Ausstellung durch die Kooperation mit den Experten des Watson Institute for International Studies der Brown University und den Forschern des Marktführers in punkto Internet-Security, Symantec, Rechnung. Begleitet wird die Ausstellung an beiden Standorten von Symposien; in den USA unter dem Titel „The Power and Pathologies of Networks“.

Das Kulturbüro digitalcraft.org stellt sich auch bei diesem Projekt der Herausforderung, komplexe virtuelle Phänomene für ein interessiertes Publikum zu erarbeiten und visuell zu präsentieren. „I love you [rev.eng]“ ist die topaktuelle Version und Weiterführung der Frankfurter Erstausstellung, die im Juni 2002 am Museum für Angewandte Kunst und im Februar 2003 auf der „transmediale.03“ in Berlin gezeigt und vom Publikum begeistert aufgenommen wurde.


Länge der Pressemitteilung: 6.224 Zeichen ohne Leerzeichen.

Weitere Informationen zur allen Exponaten, die digitale Version des Ausstellungskataloges und umfangreiches Bildmaterial finden Sie auf der Projektsite www.digitalcraft.org/Iloveyou (+ Pressesektion) oder können direkt angefordert werden bei:

Dr. Gabriele Reinartz
PR und Kommunikation
Tel: 0171 / 8 34 56 48
Fax: 069 / 48 00 61 32
E-Mail: gabriele.reinartz@digitalcraft.org

www.digitalcraft.org
www.infopeace.org
www.watsoninstitute.org
www.ptt-museum.dk
www.symantec.com

Kurzprofil digitalcraft.org

digitalcraft.org entstand 2003 als spin-off der Abteilung „digitalcraft“ des Museums für Angewandte Kunst in Frankfurt am Main (2000–2003). Deren Aufgabe bestand darin, schnelllebige Trends der digitalen Alltagskultur zu erforschen, zu dokumentieren und einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Seit 2003 arbeitet digitalcraft.org als Kulturbüro eigenständig unter der Leitung von Franziska Nori. Die Arbeitsbereiche umfassen interdisziplinäre Ausstellungsprojekte, wie z.B. „adonnaM.mp3“ (2003) zum Phänomen des filesharing, „Origami Digital“ (2003) über die digitale Demoszene, öffentliche Vorträge und Publikationen bis hin zur Beratung von Kulturinstitutionen und Museen. Die Themen reflektieren die rasante Entwicklung der Kommunikationstechnologien und -methoden und ihre Bedeutung für die moderne Gesellschaft.

Kurzprofil Watson Institute for International Studies

Die Brown University in Rhode Island gehört zu den renommiertesten Privatuniversitäten der USA. Ihr angeschlossen ist das nach seinem Gründer benannte Watson Institute for International Studies, das sich interdisziplinären Forschungsstudien verschrieben hat. Unter der Leitung von Prof. Dr. James Der Derian ist das „Information Technology, War and Peace Project“ ins Leben gerufen worden, das gezielt die potenziellen Auswirkungen von Netzwerkstrukturen in der globalisierten Gesellschaft analysiert. Im September startet „InfoTechWarPeace“ ein neues, einjähriges Forschungsprojekt mit dem Titel „The Power and Pathology of Networks“. Die zentralen Fragestellungen kreisen hier um die Ana-lyse folgender Themen: Welche neuen Formen der globalen Sicherheit und internationalen Staats-führung sind notwenig, um das Potenzial der Netzwerke verwalten zu können, Ressourcen richtig zuzuordnen, dabei aber eventuelle Risiken zu minimieren? Wie bleiben die Gefahren der globalen Zusammenschaltung (interconnectivity) berechenbar (z.B. von vernetztem Terrorismus, Cyberterror oder Internet-Epidemien), ohne gleichzeitig auf die Möglichkeiten und Vorteile zu verzichten (z.B. er-höhte Transparenz, höhere Produktivität und weltweite Wechselbeziehungen)? Ein Symposium und die Ausstellung „I love you [rev.eng]“ bilden den Auftakt zum gesamten Forschungsprojekt.

 

 

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